Entlassungen in der Gamingbranche

XBOX, RIOT Games, Piranha Bytes, CD Projekt Red und viele weitere haben es getan. In den letzten Monaten mussten zahlreiche Spieleentwickler und Publisher melden, dass sie Entlassungen planen oder Bereiche ganz schließen. Und auch im neuen Jahr reißt die Welle der schlechten Nachrichten aus der Branche nicht ab. Dabei war 2023 aus Spielersicht durchaus ein ganz gutes Jahr. Hat die Gaming-Industrie zuletzt einfach über ihre Verhältnisse gelebt oder steckt die Branche in einer handfesten Krise?

Wer hoch fliegt der fällt auch tief

Erst kürzlich haben wir über die Umstrukturierungspläne bei Kalypso und die drohende Schließung von Piranha Bytes berichtet. Doch die beiden deutschen Unternehmen sind bei weitem nicht die einzigen Vertreter aus der Branche, die mit ernsten Problemen zu kämpfen haben.

Klar hätte man sagen können, dass die deutschen Spiele ja gegen die großen Triple A-Titel eh keine Chance haben und einfach mit den großen Namen nicht mithalten können. Aber das wäre zu kurz gedacht, denn auch die ganz großen Namen mit bekannten und erfolgreichen Titeln müssen vermehrt Sparmaßnahmen ergreifen.

Des einen Freud, des anderen Leid

Zuletzt gab es mit Baldurs Gate III, Zelda, Alan Wake 2 oder Diablo IV einige Kracher. Doch insgesamt scheint es Unternehmen aus dem Gaming-Bereich aktuell nicht allzu gut zu gehen. Activision, Riot Games, Twitch und Unity sind wohl die bekanntesten Namen der Unternehmen, die im laufenden Jahr bereits Stellenstreichungen verkünden mussten. Doch sie sind bei weitem nicht die Einzigen. Auch viele kleine, eher unbekannte Studios und Publisher mussten sich von Mitarbeitern trennen. Alleine im Januar diesen Jahres wurden branchenweit etwa 5900 Entlassungen weltweit bekannt. Das ist Schätzungen zufolge jetzt schon etwas mehr als halb so viel, wie im gesamten vergangenen Jahr. Zwar wird diese Zahl massiv durch die Entlassungen einiger ganz Großer bestimmt, die Entwicklung gibt aber dennoch zu denken. Vor allem wenn man auf den Listen Namen findet, die bereits im letzten Jahr Mitarbeiter entlassen werden.

Mitschleifen alter Probleme

So hat beispielsweise die Firma hinter der Unity Engine, Unity Technologies, Anfang 2023 schon 300 Stellen abgebaut. Aber auch 2023 lief nicht wie erhofft. Nun muss nochmals ein Viertel der Belegschaft vor die Tür gesetzt werden, was in Summe etwa 1800 Leute betrifft. Sieht man sich die Zahlen an, überrascht das aber nicht besonders. Zuletzt hat man jährlich stetig den Verlust gesteigert. 2022 waren es im nach Steuern unterm Strich über 900 Millionen Dollar Verlust. Dass man bei Unity dringend nach Möglichkeiten sucht, die roten Zahlen zu verlassen, zeigen auch die Pläne zu einem neuen Preismodell aus dem letzten Jahr. Die Pläne führten zu einer Menge Kritik und Entwickler dachten öffentlich darüber nach, die Engine angesichts der unerwartet hohen Kosten zu wechseln oder Entwicklungen ganz einzustampfen. Unity überarbeitete das Vorhaben daraufhin noch einmal und passte das Preismodell an.

Auf und Ab während der Pandemie

Mit Corona stand urplötzlich quasi fast die gesamte Welt still. Öffentliche Veranstaltungen durften nicht stattfinden und am besten sollte man das Haus nicht verlassen. Viele vertrieben sich da die Zeit zu Hause mit Zocken. Weltweit stieg die Zahl der mit Zocken verbrachten Stunden um bis zu 52 Prozent an. Die Nachfrage nach Games explodierte, die Ausgaben für Spiele sollen um 39% zugelegt haben. Für Entwickler und Publisher also goldene Zeiten. Gut möglich auch, dass durch Lockdowns und Kontaktverbote einige Menschen das Zocken probiert haben, die sonst keinerlei Berührungspunkte damit hatten. In dieser Phase expandierten viele Unternehmen, der plötzliche Geldsegen sorgte für Investitionen, wodurch auch die Nachfrage nach Arbeitskräften stieg. Unternehmen spekulierten darauf, dass die hohe Nachfrage bestehen bleibt oder sie zumindest möglichst lange auf der Erfolgswelle mitschwimmen können.

Wie bei jedem Hype setze aber irgendwann auch wieder die Normalität ein. Während in den Coronajahren 2020/2021 die Umsätze der Branche um 28 bzw. 12,5 Prozent stiegen waren es 2022 nur noch 5 Prozent. Zudem verringerte sich die Profitabilität. Lag sie zu Corona-Zeiten bei 24,9 und 23,5 Prozent waren es danach nur noch 18,1 Prozent und damit sogar weniger als vor der Pandemie. Das spiegelt sich auch in der Marktkapitalisierung, also dem Börsenwert der großen Unternehmen wider. Während diese 2020 um 49,6 Prozent zulegten sanken sie nach der Pandemie wieder um 29 Prozent. Man muss aber auch bedenken, dass es zu dieser Zeit viel Spekulation gab, was Kurse in die Höhe trieb. Und irgendwann platzt jede Blase wieder.

Expansive Investitionen

Ein plötzlicher Geldsegen kann aber auch auf andere Art genutzt werden. So stieg auch die Zahl der Firmenübernahmen in den Krisenjahren an. So gab es einer Studie der Unternehmensberatung E&Y zufolge zwischen 2019 und dem ersten Quartal 2023 160 Übernahmen in der Branche. Bei 109 dieser übernommenen Unternehmen handelte es sich um Entwickler. Und nach einer solchen Übernahme ist es nichts ungewöhnliches, dass Firmen die Bücher genauestens prüfen und kontrollieren, ob sich einige Aufgaben vielleicht auf die eigenen Mitarbeiter übertragen lassen.

Erst Milliarden ausgeben, dann Milliarden einsparen

So kommt es nach Firmenübernahmen häufig auch zu großen Entlassungen. Microsoft beispielsweise übernahm vor kurzem Activision Blizzard. Nun wurde bekannt, dass 8 Prozent der Belegschaft (ca. 1900 Beschäftigte) gehen müssen. Aber auch Activision Blizzard hatte mit einem Gewinnrückgang von fast 44 Prozent zu kämpfen. Aber auch Microsoft selbst hat schon massiven Stellenabbau angekündigt. Von bis zu 10.000 Stellen war die Rede. Das betraf aber den gesamten Konzern, nicht nur Gaming-Abteilungen. Doch auch da wurde gekürzt. Bei Fallout- und Starfield-Publisher Bethesda, The Coalition und 343 Studios kam es zu Entlassungen.

Kahlschlag nicht nur bei Entwicklern und Publishern

Doch es geht nicht nur Entwicklern und Publishern so. Auch andere aus der Branche mussten Federn lassen. Amazon hat zuletzt bei seinem Streamingdienst Twitch einen Sparkurs eingeläutet und entlässt knapp 35 Prozent der Belegschaft. Aus dem südkoreanischen Markt zieht man sich gänzlich zurück. Dabei muss man aber auch betonen, dass Twitch zwar Milliarden an Streamer ausschüttet, selbst aber noch kein Jahr mit einem positiven Betriebsergebnis abgeschlossen hat. Nachdem man sich dort im August 2023 schon von vier Prozent der Belegschaft trennte wurde nun verkündet, dass dem nochmals 17 Prozent folgen werden. Discord ist aber auch ein Fall, auf den obige Erklärung zutrifft. Seit 2020 hat sich die Zahl der Mitarbeiter verfünffacht. Die Zahl der angemeldeten User stieg im gleichen Zeitraum aber nur um das 1,9fache und der Umsatz um das 1,7fache.

Neue teils fragwürdige Einnahmequellen

Kein Wunder also, dass Unternehmen versuchen neue Einnahmequellen zu erschließen. Neue Spiele bringen zwar auch Einnahmen, sind aber auch ein Risiko. Ein Flop kann schnell viele Millionen kosten und man muss erst in Vorleistung gehen. Der Trend geht deshalb dazu über, die Monetarisierung von Spielen zu verbessern. Das kann man natürlich am einfachsten über den Preis machen. Natürlich sorgt das aber schnell für Unmut unter den Fans. Stattdessen gibt es immer öfter In-Game-Käufe. Im harmlosesten Fall sind das einfach nur Skins, die keinen Einfluss auf die Mechanik haben. Im schlimmsten Fall aber sind es Mechaniken, die Spielern Vorteile verschaffen und damit die Spielbalance zerstören. Oder aber es gibt Lootboxen, welche man sich für Echtgeld kaufen kann und mit denen man gleich schon mal den Grundstein in Richtung Glückspielsucht legt. Nicht umsonst sind diese äußerst umstritten und immer öfter Bestandteil von Diskussionen um Verbote. Dass gefühlt immer mehr Spiele, die früher einfach so erschienen werden heute als ein Full Release und diverse DLCs unterteilt werden, ist ein weiterer Auswuchs dieser Entwicklung.

Möglicherweise eine Chance für kleine Indie-Games

Besonders betroffen sind aktuell vor allem Studios, die von Investoren und Publishern zusätzlich unter Druck gesetzt werden. Vielleicht ist das aber eine Chance für kleine Studios von Indiegames, die sowieso schon alles auf Oberlippe-Unterkante planen müssen, weil sie wenig bis kein Geld haben und vieles in Eigenregie erledigen. Natürlich stellen Publisher große Mengen Geld bereit und ermöglichen viele große Entwicklungen überhaupt erst. Aber dennoch wurden immer wieder groß erwartete und gehypte Titel veröffentlicht, die unfertig auf den Markt geworfen wurden und letztlich doch enttäuschten. Indiegames haben nicht annähernd so viel Geld zur Verfügung. Aber viele von ihnen arbeiten mit einer Menge Herzblut und Leidenschaft an ihren Spielen und das merkt man auch. Sie können zwar nicht mit der Bildgewalt großer Studios mithalten, liefern dafür aber oft detailverliebte und innovative Spielkonzepte und Techniken ab. Doch auch so manches größeres Studio kann sich nach dem „Gesundschrumpfen“ vielleicht wieder um Herzensangelegenheiten kümmern und Bildgewalt, Technik und Liebe fürs Detail miteinander verbinden.

Unklare Zukunft, besonders für kleine Studios

Die ganz großen Namen werden die Probleme überdauern können. Firmen wie Microsoft oder Electronic Arts verfügen über Rücklagen, mit denen auch schlechte Zeiten überbrückt werden können und dürften leichter an neues Kapital gelangen, als kleine Entwicklerteams. Allerdings werden vielleicht auch einige bekannte Namen, die Teil eines größeren Konzerns sind die Probleme ganz massiv zu spüren bekommen. Das reicht von Projekteinstellungen über Entlassungen bis hin zu Schließungen.

Das muss gerade Piranha Bytes miterleben, auch wenn der Eigentümer Embracer nicht in der Liga der ganz großen mitspielt (wir haben darüber berichtet). Vom kleinen Indie-Titel bis zum großen Triple A Spiel, alle werden den steigenden Kostendruck zu spüren bekommen. Auch Spieleentwicklung hat sieht sich steigenden Energiekosten und Inflation ausgesetzt. Das wirkt sich natürlich auch auf uns Spieler aus. Neben höheren Preisen kann das zum Beispiel bedeuten, dass noch mehr Spiele zu früh auf den Markt geworden werden um möglichst schnell Umsätze zu erwirtschaften. Höhere Preise bei sinkender Qualität sind also durchaus im Bereich des Möglichen.

Sorgenkind Deutschland

Leider mache ich mir da besonders um deutsche Studios Sorgen. Hier sind sowohl die Energiekosten als auch die Lohnkosten im internationalen Vergleich hoch. Gut vorstellbar also, dass noch mehr Entwicklungen ins Ausland verlagert werden. Schon jetzt haben europäische Firmen tendenziell geringere Margen, Umsätze und Firmenwerte. Ach weitere Meldungen zu Schließungen und Entlassungen werden wir dieses Jahr zu hören bekommen.

Falls euch das Thema interessiert kann ich euch diese Seite empfehlen: https://publish.obsidian.md/vg-layoffs/Archive/2024

Dort werden bekannt gewordene Entlassungen dokumentiert. Auch die letzten beiden zurückliegenden Jahre wurden erfasst. Falls ihr euch für die E&Y Studie zur Gamingbranche interessiert findet ihr diese hier.

Titelbild: Bild von rawpixel.com auf Freepik

Von Strateger

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